Verfolgung, Vertreibung & Ermordung
Unzählige Gelsenkirchener Bürgerinnen und Bürger litten während des Nationalsozialismus unter der Verfolgung und Vertreibung. Der Großteil von ihnen fand den Tod in der Vernichtungsmaschinerie aus Konzentrationslagern, Folterstätten und absoluter Entmenschlichung.
Anhand von einigen Schicksalen, die uns über die Jahre unserer Arbeit besonders nahe gegangen sind, möchten wir stellvertretend all jenen gedenken, die heute keine eigene Stimme mehr haben. Besonders wichtig ist uns dabei auf das Projekt www.stolpersteine-gelsenkirchen.de/ und die dort möglichen Patenschaften aufmerksam zu machen.
Für einen detaillierten Einblick in das dunkelste Kapitel der Gelsenkirchener Stadtgeschichte empfehlen wir einen Besuch auf www.gelsenzentrum.de/.
Unsere Stolperstein-Patenschaften
Schicksale
Familie Deßauer/PaßmannDie Unterlagen beschreiben die Geschichte der Eheleute Artur Deßauer, geb. am 21. März 1916 in Gelsenkirchen, und Johanna Paßmann, geb. am 9. Dezember 1921 in Werne. Das Aufgebot wurde am 2. Dezember 1940 bestellt, die Ehe am 20. Dezember 1940 geschlossen. Auch ohne den Vermerk zur Religionszugehörigkeit zu lesen, sticht sofort das Stigmata der durch Verordnung vom 18. August 1938 aufgezwungenen zweiten Vornamen "Israel" und "Sara" ins Auge. Allein diese Tatsache gibt einen tiefen Einblick in die äußeren Umstände, in deren Mitte diese Eheschließung stattfand. Ein weiterer Hinweis befindet sich in den Adressen die Artur und Johanna angegeben haben. Dabei handelt es sich um sogenannte "Judenhäuser", heute auch als "Ghettohäuser" bekannt, in denen jüdische Familien unabhängig von ihrer Größe auf ein Zimmer "zusammengepfercht" wurden. Artur lebte in der Bahnhofstraße 39a und Johanna in der Karl-Meyer-Straße 2. Zu den für eine Eheschließung erforderlichen Unterlagen gehörten damals
Besonders das letzte Dokument wirft wieder einen besonderen Blick auf jene Tage: Die Einwilligung des Vaters Levy Paßmann erfolgte auf dem Postweg aus den Niederlanden. Die Stolpersteine zu einem Teil der Familie Paßmann in Xanten deuten darauf hin, dass diese bereits in die Niederlande geflohen waren. Bei der Trauung war nur die Brautmutter aus dem Kreis der Eltern zugegen, die Eltern des Bräutigams scheinen zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben gewesen zu sein. Laut dem Archiv der Stadt Gelsenkirchen brachte Johanna am 24. Februar 1942 die gemeinsame Tochter Martel in Gelsenkirchen zur Welt. Das Gedenkbuch des Bundesarchives gibt an, dass Martel zunächst noch mit ihren Eltern in Gelsenkirchen gelebt hat. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde die Familie in das Umschulungslager Schloßhofstraße in Bielefeld verbracht. Am 2. März 1943 erfolgte dann die Deportation in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, wo die Familie ermordet wurde. Im Jahre 1953 wurden Artur und Johanna zum 31. Dezember 1945 für tot erklärt. Gleichzeitig wurden die aufgezwungenen Zweitnamen wieder entfernt. Über die Tocher Martel gibt es in den uns vorliegenden Unterlagen keine Eintragung. Eine Verlegung von Stolpersteinen für diese Familie ist für das Jahr 2024 geplant. |
Entzug der deutschen StaatsangehörigkeitMit dieser Aktennotiz wurde ganz bürokratisch entmenschlicht: Im Rahmen der Nürnberger Gesetze wurden jüdische Mitbürger bereits zu Staatsbürgern zweiter Klasse. Mit Überschreiten der Reichsgrenzen wurde dann die Staatsangehörigkeit vollständig entzogen und ggfs. zurück gelassener Besitz "arisiert". Dabei spielte es keine Rolle, ob die Ausreise freiwillg erfolgte oder im Rahmen der Deportation. Da zur Familie Grunewald keine Daten außer den Ausbürgerungen auffindbar sind, hoffen wir darauf, dass die Ausreise nicht im Rahmen einer Deportation erfolgte. |
Orte damals & heute
"Judenhaus" Bahnhofstr. 39/39aDer Wohnort von Artur Deßauer und seiner Familie bis zur Verbringung nach Bielefeld. Heute erinnert nichts mehr an die Geschichte dieses Ortes. Das ursprüngliche Gebäude existiert schon lange nicht mehr und in dem Neubau (Nummer 39-41) befindet sich heute die Filiale von Primark in Gelsenkirchen. |
Ausstellungsgebäude, heute WildenbruchplatzDiese Gebäude, eigentlich für größere Messen und Ausstellungen errichtet, wurden in den 1940er Jahren zu Sammellagern für Deportationen genutzt. Heute steht an dieser Stelle die Polizeiwache am Wildenbruchplatz. |