Liberating  Gelsenkirchen

... weil wir GEschichte L(I)EBEN!

Alltag unterm Hakenkreuz

Wie schon im Kaiserreich und der Weimarer Republik, gab es auch im Gelsenkirchen des Nationalsozialismus eine Reihe von Dingen die den Alltag bestimmten. Vom Ahnenpass, der über den Stand in der Gesellschaft bestimmte, bis hin zum Gelsenkirchener in Uniform möchten wir hier einen Einblick in den typischen Haushalt des Dritten Reiches und die allgegenwärtigen Strukturen der Nationalsozialisten geben.

Shell Stadtkarte Nr. 18 "Gelsenkirchen"

Dieser Stadtplan aus der Mitte der 1930er Jahre zeigt das Stadtgebiet südlich des Rhein-Herne-Kanals. Zusätzlich sind einige spannende Fakten für Besucher der Stadt und einige Stadtansichten festgehalten.

Dem aufmerksamen Betrachter wird sofort ein spannender Fehler auffallen: Das Deckblatt der Karte zeigt das Rathaus in Buer, dabei ist Buer aber nicht im Stadtplan enthalten.

Ausweisdokumente & Alltagsgegenstände

Ahnen-Pass Annette Eickers

Annette Eickers, geboren 1932, muss schon als junges Mädchen ihren eigenen Ahnen-Pass erhalten haben.

Glücklicherweise kam sie nicht mehr in die Pflicht ihn ausfüllen zu müssen - bei Kriegsende war sie erst 12 Jahre alt.


Ahnentafel

Als kurze Form des Ahnenpasses galt die Ahnentafel zum Nachweis des Inhabers über die arische Abstammung. Hierzu wurde die Abstammung bis zu den Großeltern hin aufgeführt und durfte keine Angehörigen jüdischen Glaubens enthalten.


Taschenkalender 1938

Hergestellt von der Firma WELLA wurde dieser Taschenkalender durch den "Damen- u. Herren-Friseur-Salon Fr. Hilde Bücher" in Gelsenkirchen Hüllen, Westfalenstrasse 25, verteilt.


Ticket der Bochum-Gelsenkirchener-Straßenbahn-A.-G.

Bis heute bringt die BOGESTRA ihre Fahrgäste in Gelsenkirchen ans Ziel. Bei diesem Ticket scheint es sich um ein Monatsticket zu handeln, dass nicht übertragbar war. Es ist aus den frühen 1940er Jahren.

Gesundheit

Impfpflicht

Im deutschen Kaiserreich wurde 1875 erstmals eine allgemeine Impfpflicht gegen Pocken eingeführt. Während der Weimarer Republik und auch im Nationalsozialismus wurde diese jedoch gelockert und während des Zweiten Weltkrieges sogar zeitweise für Zivilisten ausgesetzt.

Aus den Unterlagen von Annette Eickers sind noch zwei Impfbescheinigungen erhalten. Die rosafarbene Bescheinigung dürfte jene gegen Pocken sein. Ausgestellt wurde diese von Dr. med. L. Meese, Hochstraße 17, Buer in Westfalen am 15. Mai 1939.

Die zweite Impfbescheinigung weist die zweimalige Schutzimpfung gegen Diphterie aus. Diese Impfung ist von der Stadt Gelsenkirchen am 26.11.1940 ausgestellt worden und diente der Vorlage bei Behörden, Kindergärten etc.

Kindheit & Jugend

Spielzeugpistolen aus Blech

Beliebtes Kinderspielzeug der 30er und 40er Jahre: Die Modelle "BODO", "CID" und "UDO". Speziell für kleine Kinderhände gefertigt, war dieses Spielzeug natürlich auch schon eine Vorbereitung auf die spätere Ausbildung an größeren Waffen in der Hitlerjugend.

Diese Spielzeuge sind ohne Schussfunktion.


Schulbescheinigung

"Das Kind Annette Eickers, Buer, geb. 12.7.32, ist vollkommen gesund und kann ohne Bedenken in die Schule aufgenommen werden."

Bescheinigt durch Dr. med. L. Meese, Hochstr. 17, am 29.1.38 in Gelsenkirchen-Buer.


Zeugnisse

Die ersten vier Schuljahre verbrachte Annette Eickers auf der Volksschule in der Pfefferackerstraße 11, Gelsenkirchen-Buer. Aus dieser Zeit entstammt das gesonderte Zeugnis über die Teilnahme am katholischen Religionsunterricht aus dem 4. Schuljahr, ausgestellt am 17. Juni 1942.

Anschließend wechselte Annette auf die Droste-Hülshoff-Schule, Oberschule für Mädchen zu Gelsenkirchen Buer. Dort waren die Schuljahre in Drittel aufgeteilt. Zum Ende des erstens Schuljahres an der weiterführenden Schule gab es ein eher durchwachsenes Zeugnis mit folgender Beurteilung:

"Annette isr sehr fleißig und rege im Unterricht. Der Gesamterfolg ist richtig befriedigend"

Das zweite Zwischenzeugnis für das Jahr 1945 ist gezeichnet von den Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges: Es wurde handschriftlich auf den "Schulverband Bottrop, Gels.-Buer u. Herten" geändert. Solche Schulzusammenschlüsse waren üblich um trotz Zerstörung und Lehrermangel einen Schulbetrieb aufrecht halten zu können.


Landjahr-Ausweis

Der Inhaber dieses Ausweises hat nach Verlassen der Schule seiner Landjahrpflicht genügt. Die kräftigende Landjahrerziehung bei bäuerlicher Arbeit in disziplinierter Erziehungsgemeinschaft läßt erwarten, daß der Inhaber dieses Ausweises ein zuverlässiger Jungarbeier und Kämpfer des Dritten Reiches werden wird. Die Betriebsführer weise ich hierauf bei Einstellung des Ausweisinhabers nachdrücklich hin. Ich erwarte, daß der Inhaber dieses Ausweises der im Landjahr gewonnenen inneren und äußeren Haltung im Geiste Adolf Hitlers allezeit treu bleiben wird.

Mehr braucht man über den Sinn und Zweck dieses Ausweises wohl nicht sagen. Die Inhaberin Ilse Schröder war zu Beginn des Landjahres 1941 noch keine 15 Jahre alt.

Eintragungen:

1. Führungszeugnis   Ilse führte sich gut in der Gemeinschaft.

2. Leistungszeugnis

   a) Sport   Ihre sportlichen Leistungen sind gut.

   b) Singen-Musik-Volksspiel   Ilse singt gern.

   c) Werkarbeit   Sie führt ihre Arbeiten unter Anleitung ordentlich aus.

  d) Praktische Arbeit im Lager und beim Bauern (Lagerdienst bzw. Hauswerk, Gartenarbeit, Bauernarbeit)   Ilse ist gewissenhaft, willig und fleißig in der Arbeit.

   e) Nationalpolitische Schulung   Bei durchschnittlicher Veranlagung gute Mitarbeit.

Arbeit & Geld

Lohnsteuerkarte 1937

Ausgestellt auf den Bergmann Adolf Grenda, wohnhaft in der Bottroper Str. 20 in Gelsenkirchen-Horst. Einige der Eintragungen gibt es noch heute, jedoch ist dieses vierseitige Dokument im Umfang nicht mit heute vergleichbar.


Wirtschaft & Wehrmacht

Die Einberufung von Soldaten hatte bisweilen Einfluss auf die Produktionsfähigkeit der Wirtschaft. So zeigt dieses Ersuchen der Dortmunder Union Brückenbau-Aktiengesellschaft aus dem Jahr 1943, dass teilweise Angehörige der Wehrmacht beurlaubt werden mussten um Leistungen für die Industrie zu erbringen.


Werbung für die Kriegswirtschaft

Um möglichst viele Männer für den Fronteinsatz aus der Wirtschaft entbehrlich zu machen, gab es an jeder Ecke den Aufruf für Frauen und Mädchen entsprechende Arbeiten zu übernehmen. So wie hier auf einer Postkarte aus dem Jahr 1943:

Frauen und Mädel meldet euch zur Mitarbeit bei Reichspost

Sie verbindet Front und Heimat

Auskunft bei allen Postämtern

Vergnügen, Kultur und Freizeit

Programm "Bunte Bühne" Gelsenkirchen

Leider nicht ganz vollständig, aber ein tolles Beispiel für das Unterhaltungsprogramm Gelsenkirchens in den frühen Kriegsjahren. Trotz des Bombenkrieges wurde Unterhaltung geboten. Durch die vielen Lazarette in der Stadt dürften diese Angebote auch immer stark von Soldaten frequentiert worden sein.

In diesem Programm der ersten Märzhälfte 1941 gibt einen spannenden Einblick auch in die Herkunft der jeweiligen Künstler: So traten unter anderem ein deutsch-russisches Ballett und ein mexikanisches Duett auf.

Einen interessanten Einblick in die Vergangenheit bieten hier auch die zahlreichen Werbeanzeigen unter anderem vom Westfalen Kaufhaus (WeKa) und der Glückauf Brauerrei, die auch noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg weit über Gelsenkirchen hinaus bekannt waren.

Die "Bunte Bühne" befand sich auf der Bochumerstr in Ückendorf und wurde in den Nachkriegsjahren für deutsch-sowjetische Freundschaftsfeste von der KPD genutzt.

Gelsenkirchener im Nationalsozialismus

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